Wie war es denn zu Ritterszeiten?

 

Ursache für die Gründung einer Burg am südlichen Mainviereck im 12. Jahrhundert muss die Nahtstelle zwischen den Diözesen Mainz und Würzburg gewesen sein. Das ganze Mainviereck hatte zu dieser Zeit dem Stift St. Peter und Paul zuAschaffenburg gehört. 1127 war Timo de Bratselde Vogt dieses Stifts gewesen. Esscheint, als ob dieser Timo der Gründer eines Vorläufers der Burg Prozelten, wie die Henneburg richtig heißen muss, gewesen ist und den Burgbezirk Prozelten gestaltet hat. Nach dem Tode von Timo de Bratselde muss die Herrschaft Prozelten an das staufische Reich gegangen sein. Es lässt sich nachweisen, dass die Reichsschenken von Klingenberg Unmittelbare Nachfolger des Grafen Timo des Bratselde geworden sind. Sie sind ein bedeutendes Reichsministerialgeschlecht, das immer wieder im Gefolge der Staufenkönige und -Kaiser auftrat und als Träger des Reichsschenkenamtes zur Reichsbeamtenschaft gehörte. lhr Stammsitz war Oberschüpf bei Boxberg in Baden. Daher nannten sie sich bis ca. 1200 Schenken von Schüpf. Im Koppelfutterverzeichnis der Mainzer Heberolle aus der Mitte des 13. Jahrhunderts wird der Zent zur Eich dem Erzstift Mainz zugesprochen. Ausnahmen bilden nur die Orte Breitenbrunn, Fechenbach, Neuenbuch, DorfprozeIten, Faulbach und Altenbuch. Dort erhalten die Schenken von Klingenberg-Prozelten die Abgabe.

Da selbst die klingenbergischen Orte ihren Zent an Mainz und nicht an die Schenken zahlen, nimmt man an, dass die Verfestigung der Reichslandpolitik lediglich im Prozeltener Raum intensiver gelungen ist. Aus dieser Zeit stammen die zahlreichen architektonischen Reste der romanischen Zeit, die in den später umgebauten Mauern erhalten sind. Urkundlich erwähnt sind um 1260 die Brüder Walter und Albert Schenke von Klingenberg als Herren von ,,Bradshelden". Albert wird Deutschordensritter.

Beide Brüder machen dem Orden Schenkungen aus den zu Prozelten ehörenden Besitzungen. Walter hinterlässt bei seinem Tode, vor 1272, zwei Söhne, Conrad und Walter, deren Vormund, Reinhart von Hanau, in diesem Jahre das ,,Angebührnis" der Grafen Poppo und Rudolf von Wertheim am Schloss Prozelten für 600 Heller kauft.

Im Jahre 1275 finden wir Prozelten in gemeinschaftlichem Besitz der mächtigen Grafen von Wertheim und Hanau, welche einen Burgfrieden für das Schloss festsetzten. Die sehr interessante Urkunde ist noch vorhanden; obgleich ein sehr frühes Beispiel eines Burgfriedens, enthält sie doch schon die meisten spätergebräuchlichen Bestimmungen und Verbote: Die Burgleute müssen allen Erben gemeinsam schwören; innerhalb von Burg und Stadtgrenzen ist unter allen Umständen Frieden zu halten; wenn ein Teilerbe zugehörige Güter erwirbt, fallen diese auf Kosten des Erwerbers zur Hälfte auch an die anderen; niemand darf dem anderen zum Nachteil bauen. Diese Erbengemeinschaft scheint ihre Anteile zumeist an die Töchter vererbt zu haben. So tritt Hanau überhaupt nicht wieder hervor. 1288 und 1291 taucht Graf Heinrich von Henneberg, Gemahl Kunigundes von Wertheim, mit Ansprüchen an Prozelten auf. In letzterem Jahre verkauft Elisabeth von Hohenlohe, Gottfrieds Witwe, geborene von Wertheim ihren Anteil an ihren Schwager Gottfried von Schlüsselburg. Diese Frau scheint sehr angesehen, aber auch sehr abhängig von dem Deutschen Orden gewesen zu sein. Nachdem sie 1311 über die Anrechte des Poppo von Eberstein und des Conrad von Vehingen entscheidet, kauft sie 1313 das Erbe von Gottfried von Schlüsselburgs Witwe zurück. 1317 erwirbt sie auch den Ebersteinschen Anteil für sich und - den Deutschen Orden. Diesem versetzt sie 1319, wenige Monate, nachdem ihm auch Graf Conrad von Vehingen seinen Anteil verkauft, ihre sämtlichen Güter.

1320 erscheint der Orden dann als Besitzer der ganzen Burg, samt des größeren Teiles an Zubehör. 1329 verzichteten auch Graf Ludwig von Rieneck der Altere und seine Gattin Elsbet von Hohenlohe auf ihre Rechte an den Leuten in Burg und Stadt Prozelten zugunsten der Deutschherren. Einzelne Abrundungen des Gebietes geschehen noch später. Der Orden unterstellte das ihm nun völlig eigene Haus Prozelten nach Urkunden von 1333 und 1440, wie auch seine übrigen  Besitzungen dem Schutze des Erzstiftes Mainz. Hundertundfünfzig Jahre hat er dann Burg und Herrschaft ruhig besessen, bis der Hochmeister Reinhard von Neipperg sie 1483 dem Erzstifte Mainz gegen die Schlösser ,,Scheuerburg" und ,,Solme" (Neckarsulm) vertauschte.

Aus der Zeit der Ordensherrschaft sind nur wenige Nachrichten bekannt geworden, jedoch gehört ihr zweifellos der große gotische Umbau an, welcher der Burg ihre heutige Erscheinung gab. Die späteren Mainzer Rechnungen, die fast Jahr für Jahr erhalten sind, geben nur Nachrichten von Ausbesserungsarbeiten.

Offenbar waren also 1483 alle größeren Bauwerke bereits vorhanden, und wie nach den seit der Zeit vorgenommenen Arbeiten geschlossen werden muss, 1493 zum Teil bereits baufällig. Demnach ist die Errichtung der Feuergeschütz-Turme, die die ganze Burg umgeben, eine Arbeit des Deutschen Ordens.

Da nun nach urkundlichen Quellen bei dem Deutschen Orden seit dem zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts sich der Gebrauch der Pulverwaffen einbürgert und zu Beginn des 15. einen ungeheuren Aufschwung nimmt, können die für Pulverwaffen eingerichteten Verteidigungsanlagen zu Prozelten auf Anfang des 15. Jahrhunderts datiert werden.

Die Tauschverhandlungen zwischen Mainz und dem Deutschen Orden haben eine große Anzahl umfangreicher Aktenstücke hervorgebracht, von denen die Aufzählung der zum Hause Prozelten gehörenden Lehensleute aus dem Jahre 1483, das ausführliche Verzeichnis des Hausrats aus demselben Jahre und das der Zinsen, Gülten, Renten, Gürten, Felder, Waldungen, Schäfereien und Zehenten, die zur Burg Prozelten gehörig waren, die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse beleuchten. Als letzter Komtur der Komturei Prozelten wird Graf Georg von Henneberg genannt. Ihm verdankt die Burg vielleicht den heute gängigen Namen. Auffallend ist, dass gerade die im Maintal gewaltigen Erschütterungen des Bauernkrieges und des 3ojährigen Krieges in den Rechnungen kein Zeugnis ließen. Aus den Jahren von 1525 bis 1526 sind keine Baunachrichten vorhanden. Im Bauernkrieg hatte sich Stadtprozelten nämlich dem Aufstand angeschlossen, war zwar auf diese Weise einer Zerstörung entgangen, verlor aber dadurch seine Stadtrechte. Erst 1528 wurde Stadtprozelten durch Karl IV. begnadigt und erhielt eine neue Stadtordnung.

Wahrend des 30jährigen Krieges ist nur von den Zerstörungen durch ein Unwetter und der Belegung der Burg durch eine Löwensteinsche Kompanie die Rede. Die nur mitwenigen Amtsleuten und Soldaten ausgestattete Burg bot in den Kriegsjahren wohl kein bedeutendes Ziel.

1688 könnte die Burg von den Franzosen zerstört worden sein. Darüber liegen aber keine glaubhaften Nachrichten vor. Die fehlende militärische Bedeutung der Henneburg in dieser Zeit spricht nicht für eine kriegerische Zerstörung. Vielmehr kann von einem schleppenden Verfall der Burg ausgegangen werden. 1704 wird sie erstmals als ,,ruiniert" bezeichnet.

Seit 1803 gehört Stadtprozelten und die Henneburg zum Fürstentum Aschaffenburg, seit 1810 zu Großherzogtum Frankfurt. Seit dem Jahr 1814 ist der Raum bayerisch. Auf Veranlassung König Ludwigs von Bayern werden die Ruinen 1840 erstmals wieder etwas ausgebessert, um sie vor einer völligen Zerstörung zu bewahren. Ein Teil der Fensterfront des westlichen Gebäudes stürzt 1927 nach einem Feuerwerk ein.